Literaturlandschaft Ruhrgebiet

Von der Städtestadt zur Metropole Ruhr, von der Industriekultur zur Kulturindustrie. Das Ruhrgebiet ist spannend. Erleben Sie mit mir den Wandel und die literarische Vielfalt in ausgesuchten Hör- und Videobeiträgen. Hier finden Sie zudem Kommentare und Kurzbiografien der beteiligten Personen, Informationen zum REVIERCAST-Projekt, Verweise auf verwandte Projekte sowie aktuelle Nachrichten aus der Literaturszene im Revier.

Viel Vergnügen beim Stöbern ...

Karl-Heinz Gajewsky

"Inzwischen habe ich mir Ihre Website angesehen, das ist ja ein Opus magnum, an dem Sie da arbeiten, die literarische Kartographierung des Ruhrgebiets, großartig, und mich haben Sie damit in beste Gesellschaft aufgenommen."

Andreas Rossmann, FAZ

Wo wir das Bleiben verteidigen … Gedanken zum Lehrer und Schriftsteller Karl Taefler aus Gelsenkirchen

Wo wir das Bleiben verteidigen. So hieß einer seiner Buchtitel, der für sein ganzes Leben typisch war, man könnte die Zeile umändern in: Wo wir das Leben verteidigen! Lyrik war das, auf den Punkt gebrachte politische Lyrik. Diese Art Literatur hatte ihre große Zeit in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, ausgelöst und durchgeführt u. a. durch den Werkkreis Literatur der Arbeitswelt. Dort, in der Dortmunder Werkstatt, lernte ich Karl Taefler kennen. Zusammen mit seinem Kollegen Richard Limpert war er bereits aktiv in der Literaturwerkstatt die insel in Marl als auch in der Gruppe Gelsenkirchener Autoren, deren langjähriger Vorsitzender er war. Wo dieses literarische „Duo infernal“ auftauchte, blieb kein Auge trocken – und ihre Literatur kam gut an. Wir Neulinge in der Dortmunder Werkstatt konnten von den alten Hasen viel lernen, nicht nur das Literaturmachen. Gespräche und hitzige Diskussionen nach den Arbeitsitzungen in der Gaststätte „Alte Zeit“ gehörten wie selbstverständlich zu den Lernprozessen dazu. Bei den großen und auch bei vielen kleineren Friedensdemonstrationen der achtziger Jahre war Karl Taefler ebenfalls regelmäßig aktiv dabei. Ich kann mich erinnern, wie er bei einer Demo auf der Kettwiger Straße (der Einkaufsmeile) in Essen auf einem Podium stand und ohne Mikrofon, frei redend, alles übertönte. Er machte nie einen Hehl aus seiner Mitgliedschaft in der DKP, war aber als politisch aktiver Mensch und als Gesprächspartner immer offen, nie fanatisch und einseitig. Seine Bemühungen, linke Splittergruppen miteinander zu versöhnen, gestalteten sich schwierig, obwohl der gelernte Pädagoge all seine berufliche Kunst dabei aufwendete. Als DKP-Mitglied traf ihn das Berufsverbot, wogegen er erfolgreich angehen konnte. Bis zu seiner Pension als Lehrer tätig, war er natürlich Mitglied in der Gewerkschaft GEW und auch dort aktiv. Für mich persönlich stand er mehrmals als knallharter Lektor für meine Manuskripte zur Verfügung. Die freien Rückseiten der Manuskriptblätter kritzelte er mit seiner kleinen Handschrift mit Kritik und Vorschlägen voll. Bei anschließenden langen Telefongesprächen wurden wir beide laut, was aber regelmäßig mit Verabredungen zu „einem Bier“ endete. Auch ließ er es sich nicht nehmen, das eine oder andere sachkundige Vorwort zu meinen Büchern zu schreiben. Zuletzt arbeitete er an einem Riesen-Epos mit dem Arbeitstitel: Die Dunkelkammer. Es ging am Beispiel Afrikas um die Problematik des kapitalistischen Systems. Immer waren seine Texte von der Maxime durchzogen: Wo wir das Bleiben verteidigen. Wir, das waren für ihn die Völker der Welt. Doch war die Literatur nicht sein einziger Schwerpunkt: er war Lehrer für Mathematik und Geschichte – und die Mathematik kam manchmal an spannenden gemeinsamen Wochenenden im Sauerland zum Vorschein: seitenweise produzierte Karl Taefler mathematische Formeln, Axiome und sonstige Annahmen – ich verstand kein Wort bzw. keine der Beweisführungen. Er lächelte. Macht auch Spaß, sagte er. Dann prosteten wir uns mit einem herben Iserlohner Pilsener zu. Zusammen mit unseren Frauen gingen wir ab und zu ins Restaurant zum Essen, das gefiel ihm sehr. In letzter Zeit schon von Krankheit gezeichnet, nur noch mit Mühe gehend und formulierend, taute er beim Begrüßungs-Schnäpschen auf, wurde rege und lebendig und war dann fast „der Alte“. Gespräche mit ihm waren immer spannend, lehrreich und angenehm. Ich hoffe, er sah es umgekehrt genau so. Der Freund und Lehrer, auch im übertragenen Sinn, wird mir fehlen. Karl Taefler starb am 21. März 2014 im Alter von fast 82 Jahren. Ulrich Straeter

Literaturpreis Ruhr 2014 - Regionalverband Ruhr und Literaturbüro Ruhr zeichnen vier Autorinnen aus

Die Dortmunder Autorin Marianne Brentzel wird mit dem Literaturpreis Ruhr 2014 ausgezeichnet. Sie ist bekannt geworden mit Biografien und Essays über historische Frauenpersönlichkeiten, darunter so unterschiedliche Charaktere wie Else Ury, Autorin der Kinder- und Jugendbuchreihe "Nesthäkchen", und die einstige DDR-Justizministerin Hilde Benjamin. Neben ihrer Schriftstellertätigkeit arbeitete Marianne Brentzel in einer Obdachlosen-Initiative und verarbeitete ihre Eindrücke später in einem Portraitband. Kulturelle und soziale Aktivitäten sind in ihrem Werk keine Gegensätze. Der Hauptpreis des Literaturpreises Ruhr wird 2014 zum 29. Mal verliehen und ist mit 10.000 Euro dotiert. Zu den Preisträgern gehörten bisher u. a. Liselotte Rauner und Jürgen Lodemann, Ralf Rothmann und Brigitte Kronauer, Frank Goosen und Fritz Eckenga. „Schauplatz Museum“ lautete das Thema des mit je 2.555 Euro dotierten Förderpreises des Literaturpreises Ruhr. Unter den 141 eingesandten Bewerbungstexten wählte die Jury die Erzählungen „Und samstags wird gebadet“ von Frauke Angel sowie „Eintritt frei“ von Merle Wolke aus. Sarah Meyer-Dietrich erhält den Rotary-Förderpreis für ihren Text „White Cube“. Der Literaturpreis Ruhr wird jährlich vom Regionalverband Ruhr vergeben und vom Literaturbüro Ruhr organisatorisch und konzeptionell betreut. Die öffentliche Preisverleihung findet statt am 21. November 2014 um 19.30 Uhr beim Regionalverband Ruhr, Kronprinzenstraße 35, 45128 Essen. Der Eintritt ist frei. Zu den Autorinnen: Marianne Brentzel Eine mögliche Erklärung für das Interesse der Hauptpreisträgerin Marianne Brentzel (geb. 1943) an den unterschiedlichen Frauenleben in ihrem Werk findet sich im Roman „Rote Fahnen. Rote Lippen“ (2011), in dem sie unterhaltsam, präzise und mit unaufgeregtem autobiographischem Bezug den Weg einer Arzttochter zur Funktionärin einer maoistischen Gruppe und schließlich zur hartnäckigen Kämpferin für soziale Gerechtigkeit schildert. Marianne Brentzel hat u. a. über die österreichische Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim (Sigmund Freuds Patientin Anna O.), die italienische Jüdin Margherita Sarfatti (Künstlerin und Geliebte Mussolinis) geschrieben und kürzlich eine Sammlung von Essays über sieben Nelly-Sachs-Preisträgerinnen veröffentlicht. Frauke Angel Frauke Angel (geb. 1974 in Essen, lebt in Dresden) beschreibt in ihrer Geschichte „Und samstags wird gebadet“ eine Mutter von drei Kindern aus dem Osten Deutschlands, die mit ihrer Familie ins Ruhrgebiet zurückkehrt; dort ist sie aufgewachsen, doch fast nichts ist mehr so, wie es vor 20 Jahren in der Kolonie noch war. In einem kleinen Kolonie-Museum des Ruhrgebietsalltags lässt sich der Abstand zwischen Gestern und Heute erfahren. Die Jury schätzte besonders den eindringlich-zarten, zwischen leiser Melancholie und glasklarem Realismus pendelnden Ton der Geschichte. Merle Wolke Merle Wolke (lebt in Berlin) wiederum fasste das Förderpreisthema „Schauplatz Museum“ in ihrem Text „Eintritt frei“ heiter bis satirisch auf: Zumpel, ein ehemaliger Rennfahrer und nun eine Art fliegender Hausmeister für die Museen des östlichen Ruhrgebiets, hat den Durchblick, er weiß, wie es hinter den Kulissen des Schein-Betriebs Museum zugeht. Und er nutzt sein Wissen, um in den Museen heimlich eigene Werke an die Wände zu hängen - eine Methode, die Zumpel ungeahnte Erfolge einbringen wird. Dass sich die Satire in Merle Wolkes Geschichte nicht allzu weit von der Wirklichkeit unserer Museen entfernt hat, überzeugte die Jury vollends. Sarah Meyer-Dietrich Die Erzählung „White Cube“ von Sarah Meyer-Dietrich (geb. 1980, lebt in Bochum) handelt von Charlotte, einer Kunststudentin, die sich mit dem Mann einer Kuratorin einlässt. Eine entscheidende Rolle in dem intelligent konstruierten Beziehungsgeflecht zwischen Kuratorin, Ehemann Peter und Charlotte spielt das Gemälde „Das Mädchen am Tisch“ von Max Pechstein, das Charlotte schließlich zerstört, als sie erkennen muss, dass Peter inzwischen eine neue Geliebte hat. Sie veröffentlichte Gedichte, Erzählungen und Essays in Anthologien. Für ihre Texte erhielt sie schon zwei Auszeichnungen. (Quelle: Literaturbüro Ruhr)